aus Blockhefte: eine Konstellation Sequenzen

(publiziert in Zifferblatt – ek2018 Vaduz)

Bl-160 / 31. 1. 2016
Über die Unebenheiten tastend, die Unschärfen, wo jenes zu dem wird, was spricht mit der Genauigkeit einer Sonde, und die Sinneswahrnehmung sich daran bricht – irgendwo da, irgendwo dort – ist Sprache, und irgendwo dort bin's auch ich.

Bl-160 / 7. 2. 2016
Sie selbst war sich oft ausser Reichweite.

Bl-160 / 8. 2. 2016
Zur Analphabetin werden, über das Schriftbild stolpern wie eine, die hofft, etwas dahinter zu finden,
… aber so zu gehen, was für ein Glück.

Bl-140 / 30. 12. 2014
Das Verglühen der Sätze – eh sie niedergeschrieben

Die längst verglühten Sterne der Wortbildung, wenn wer sie liest, wenn wir sie lesen, sind sie schon vergangen

Der Sterne Totenacker im Schriftbild

Hänsel und Gretels Zugabe in Form von Lesekuchen,
des Rückwegs wegen

Der Hexe später Triumph beim Aufsagen von Versen

Als Nachschub – Bücher in kleinen Klumpen zum Anpicken

Bücher als Kletterwand

Zeilenläufe für Mountainbiker
Schlittschuhgängige Seiten

Ökopunkte am Ende der Sätze

Das Implantat einer Satzstellung
Das Nachrüsten des Bleistifts

Wiederholungsverbot von Wörtern

Nachrichten eines Zifferblatts

Der Vögel Paradiese im Internet –
der ausgestorbenen Vögel Paradiese im Internet
– ihre virtuelle Fütterung

Der Tauben virtueller Frieden

Der Mond hinterm Schirm – der am Fenster, der vor der Tür

Links und rechts vom Bildschirm Weihwasserschälchen für jedes Googeln

Bl-160 / 21. 11. 2016
Manche Sätze kommen daher, als trügen sie auf ihrem Rücken noch anderes Geschriebenes.

Bl-160 / 23. 11. 2016
An den Schultern eines Buches ausruhen

Das Buch an den Schultern fassen, ihm die Hand auf die Schulter legen

Bl-130 / 19. 2. 2013
'Ausländig' lernen.

Die Fremde war in ein Schweigen hineingeboren worden.

Die Maske des Texts - hinter der Maske die Sprache.

Bl-80 / 22. 3. 2008
Wie fremd und unberührt der Garten kommt und geht

Die Vernunft der Zukunft als eine kleine Ikone,
die gefährdet ist.

Die Zukunft liess man laufen wie eine Spieluhr.

Bl-160 / 24 11. 2016
Die Vögel traten leise ab, ohne Aufsehen zu erregen, erlosch das Paradies.

Bl-140 / 5. 6. 2014
Ach, dass ich die Stimmen der Vögel besser kennte, vergass die Tonart, die besonderen Kadenzen und Melodien, weiss nicht mehr, welcher spricht, weiss nicht, was widerspricht. Es sind Fremdsprachen.

Die Natur fremdelt, wenn sie mich sieht.

Sie liest die Silberstifte der wandernden Schnecken, die verfeinern die Schriftzüge über Wänden und Türen. Wie nur machen sie das? es ist Übung.

Bl-130 / 7. 8. 2013
Und so erwachte ich aus dem Traum.

Schreibchenweise

Bl-130 / 10. 5. 2013 Es regnet – die Bäume sind unter sich.

Bl-130 / 2. 5. 2013
Es ist ein ewiger Tag. Die Amsel badet.
Regentropfen ziehen Kreise. Sie verschwinden.
Bleiben keine Narben

Bl-80 / 16. 1. 2008
Der Äste Spürsinn greift weit über mich hinaus.
In den Zwischenräumen hält sich ein Flügelschlag
in der Balance mit den Zweigen.
Versprechen eingelöst - der Knospe Flug war vorgegeben.
Ist's Angst? Ist's Übermut? Die Zeile schwebt.

Bl-70 / 4. Mai 2007
Mein Schriftwerk ist mein Federkleid – man wird mich damit ausstopfen können. Ob es noch zum Fliegen taugt, weiss ich nicht.

Evi Kliemand, 2007-2016